Polyphonia

Der Chor Polyphonia engagiert sich für die Erhaltung griechischer Lieder in Berlin. Im Chor singen rund 50 Sängerinnen und Sänger im Alter von Anfang Zwanzig bis Mitte Siebzig. Gegründet hat sich der Chor 2009 mit Unterstützung des griechischen Kulturvereins Exantas.

Das Repertoire umfasst Volkslieder und Kunstlieder Griechenlands, zum Teil von bekannten Komponisten wie Mikis Theodorakis. Der Chor tritt bei Straßenfesten auf, bei anderen Kultur-Vereinen, im Auswärtigen Amt oder auch in der Werkstatt der Kulturen der Welt und hat etwa zehn Konzerte im Jahr. Zwölf Chormitglieder haben die Aufnahmen für das Projekt Heimatlieder eingesungen, zusammen mit Chorleiter Aris Meliadis. der großen Wert auf einen sehr traditionellen Stil legte, wie er mündlich überliefert ist: Einige der Älteren des Chors sind ohne Radio oder Plattenspieler aufgewachsen und kennen die Lieder noch aus einer Zeit, in der die Überlieferung ausschließlich über den aktiven Gesang erfolgte. Die Gelegenheit, Musik zu hören, gab es nur, wenn in Gemeinschaft gesungen wurde – den Rhythmus schlug man notfalls auch auf Töpfen, wenn nichts anderes zur Hand war.

Polyphonia "Dho Sta Lianochourtaroudhia"

Polyphonia "Karavi Karavaki"

 

Karavi, Karavaki und Dho sta Lianochourtaroudhia sind Lieder, die die älteren Chormitglieder aus ihrer Kindheit kennen, die aber noch genauso zum Alltag der jüngeren Generation gehören. Es sind Tanzlieder, die in Griechenland bei jedem Anlass, vor allem aber auf Dorffesten, den Panighiria, gesungen und getanzt werden.

Die genaue Herkunft und Entstehungszeit der Lieder ist unklar. Der Text unterlag vermutlich in der Überlieferung einigen Wandlungen. Sehr alt sind wohl beide Melodien, in Tonalität und Rhythmik in der Antike verwurzelt. Die Tonleiter in der sie geschrieben sind, ist heute unter dem türkisch-arabischen Namen Hicâz oder Hijaz bekannt. Sie hat eine Verbindung zur chromatischen Tonleiter, die auf dem bestimmten Abstand der Tonschritte im Tetrachord (heute eine reine Quarte) basiert. So ist sie in der antiken Musik, etwa bei Aristoteles, Sokrates und der Musiktheorie von Aristoxenos zu finden. Der Rhythmus vieler griechischer Lieder hat seinen Ursprung in der antiken Verslehre. So werden auch heute die länger gehaltenen Töne genauso wie in der antiken Praxis nach Geschmack der Musiker modifiziert. In den vielen Melismen können die kleinen Vierteltonschritte individuell leicht variiert werden. Griechische Volkslieder sind bis auf wenige Ausnahmen immer einstimmig.

Karavi, Karavaki

Schiff, Schiffchen,
du fährst die Küste entlang
komm raus damit ich dich seh’

Du hast mich verzaubert
ich bin verrückt nach dir
Deine Schwester hat mich behext
Du machst mich verrückt

Mit roter Flagge
und goldenem Kreuz,
komm raus damit ich dich seh’.
Komm raus, dass ich genese
damit ich nicht falle und sterbe,
komm dass ich Dich ein bisschen seh,
damit mein Kummer vergeh.

Wenn du gen Stadt fährst
und zur Agia Sophia,
meine süße Liebe.
Komm, komm, wenn ich es Dir doch sage,
quäl mich nicht bis zum Weinen
Komm doch komm mein Rebhühnchen,
in die Umarmungen, die meinen.

Nimm mich auf
und setze Segel raus aufs Meer
komm raus dass ich dich seh
Komm dass du bist ich bin du
dass ich Dir ein Lager bereite zum Schlafen
komm mir nach
dass es dich vergnügt

Die Fischerboote
sind bei der Stadt vor Anker gegangen
Krauses Basilikum
Deine Haare, die geflochtenen
Haben viele toll gemacht, und mich
Deine Haare und dein Hals
haben mich auf den Plan gerufen

Die türkischen Mädchen haben sie gesehen
Die türkischen Mädchen haben sie gesehen
Und haben geseufzt:
„Ah zamba, Warum?“
Deine Äuglein die schwarzen
sind voll Kummer und Hitze
deine Wimpern schlägst Du nieder
und lässt mich nicht fort

Schiff, Schiffchen ist ein Lied aus Ost-Thrakien und der östlichen Ägäis, vermutlich speziell von der Insel Chios. Es ist das Liebeslied eines Seemannes, der das Verlangen nach seiner Geliebten beschreibt. Sie hat ihn verzaubert aber er musste sie in Istanbul zurücklassen. Das Lied ist im 7/8-Takt, dem Rhythmus des Volkstanzes Kalamatianos überliefert. Der Rhythmus und die Betonung haben eine Beziehung zu altgriechischen Versmaß Daktylus, dem Maß der Ilias des Homer – lang / kurz / kurz.

Dho sta lianochourtaroudhia

Hier auf der lichten Wie- omannomann,
hier auf der lichten Wiese
Hier auf der lichten Wiese
Wird’s ein toller Tanz wohl werden

Was für’n toller  omannomann
Was für’n toller Tanz wird’s werden
Was für´n toller Tanz wird’s werden
Wie eine Bordüre wird er sich aufreihen

(…)

Fünf Reb- omannomann,
fünf Rebhühnchen flogen
fünf Rebhühnchen flogen
über’m Felde Runden

über’m Feld omannomann
über’m Felde Runden sie zogen
über’m Felde Runden sie zogen
und fragten nach uns zweien.

Wer ist die Wei- omannomann
Wer ist die Weiße, wer ist die Rote,
Wer ist die Weiße, wer ist die Rote,
Wer ist die mit den (hübsch-) gesäumten Brauen.

Wer ist die Weiße, wer ist die Rote
Wer ist die mit den (hübsch-)gesäumten Brauen

Dho sta Lianochourtaroudhia ist ein sehr lebhaftes Lied im 6/8-Takt aus der Region Evros, in Ost-Thrakien an der Grenze zur Türkei. Der 6/8-Takt ist hier ein Volkstanz, Zonaradiko, benannt nach der Weise, in der sich die Menschen bei diesem Kreistanz einander festhalten, am Gürtel (griechisch: zoni).