Trio Fado (Portugiesischer Fado)

"Wir Portugiesen leiden gern. Das ist so. Und das ist auch okay für uns." Maria Carvalho ist eine große Stimme des Fado und hat trotzdem Sinn für Humor. Fado kommt von Fatum (Schicksal, göttlicher Wille), wurde in seinen Anfängen hauptsächlich in verruchten Spelunken Lissabons gespielt und hat immer etwas Tragisches. Es geht um unglückliche Liebe, soziale Missstände und um die Sehnsucht: nach besseren Zeiten, nach amor, nach dem Meer. 

Die Band: Ein Trio, das ein Quartett ist

Als Maria Carvalho und António de Brito nach Deutschland kamen, hörten sie selbst noch keinen Fado. Das war die Musik der Eltern. Längst hat sich das geändert. Mit dem Fado behalten sie ihre Erinnerungen und nähern sich ihrer eigenen Kultur auf eine ganz neue Weise. Um die Jahrtausendwende lernten sich die zwei in Antónios Restaurant in Berlin kennen. Er sang dort Fado, weil die portugiesischen Gäste „was von zu Hause“ hören wollten. Maria war sofort Feuer und Flamme und begann ebenfalls zu singen. Kurz darauf stieß der in Portugal aufgewachsene Österreicher Daniel Pircher mit seiner Guitarra portuguesa dazu. Und weitere ein, zwei Jahre später schloss sich Cellist Benjamin Walbrodt der Gruppe an. Da hatte das Trio Fado schon einen Namen. Und der bleibt, auch wenn das Trio ein Quartett ist. Zunächst tingelten sie durch Restaurants und Kneipen, mittlerweile füllen sie aber Konzertsäle und Kirchen. Das Besondere am Trio Fado ist neben dem Einsatz von Oberton und Cello, dass sie dem Fado das Tragische nehmen. Fado bedeutet zwar Schicksal, aber das Schicksal ist nicht immer trist. 

Trio Fado "Milho Verde"

 

Milho verde 

Milho verde, milho verde
Milho verde maçaroca
À sombra do milho verde
Namorei uma cachopa
 
Milho verde, milho verde
Milho verde miudinho
À sombra do milho verde
Namorei um rapazinho
 
Milho verde, milho verde
Milho verde folha larga
À sombra do milho verde
Namorei uma casada
 
Mondadeiras do meu milho
Mondai o meu milho bem
Não olhais para o caminho
Que a merenda já lá vem

(frei übersetzt und ohne Wiederholungen:) 

Grüner Mais, grüner Mais / Grüner Mais, Maiskolben / Im Schatten vom grünen Mais / Liebkoste ich ein Mädchen / Grüner Mais, grüner Mais / Grüner Mais, kleine Körner / Im Schatten vom grünen Mais / Umarmte mich ein junger Mann

 

Die Musik: Der Fado

Der Begriff Fado kommt vom Lateinischen fatum - Schicksal. Das Wort ist älter als die Musik, und die entstand Mitte des 19. Jahrhunderts. Doch dazu später. Fado ist das typische Volkslied Portugals und wurde 2011 auf die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit von der Unesco aufgenommen. Er wird sowohl von Männern als auch von Frauen gesungen, enthält typischerweise eine portugiesische Gitarre und eine (spanische) Gitarre, und das Wichtigste sind die Texte. Der Fado ist hat afro-brasilianisch-portugiesische Wurzeln und wird auf großen Bühnen sowie in kleinen Fado-Häusern aufgeführt. Früher wurde dazu noch getanzt, aber schon seit ewigen Zeiten hört man einfach meistens nur zu – und fühlt und leidet mit. Denn die ganz große Kunst der Fado-Sänger ist es, die gesungenen Gefühle auch sichtbar auszudrücken. Wer das nicht kann, kann gehen. Die Texte handeln von der Liebe, der Sehnsucht, der Ironie des Schicksals, kurz: Saudade (Weltschmerz). Es gab aber auch schon Lieder über ein sinkendes britisches U-Boot und über einen Fußballer, der an Lebensmittelvergiftung starb. Man kann mit Fadomusik ganz offensichtlich hervorragend Geschichten erzählen, und darum geht es. Auch wie der Fado berühmt wurde, ist so eine Geschichte, und sie enthält alles, was das Leben zu bieten hat. Hier ist sie:

Die Geschichte des Fado

"Einer, der seine Eltern nicht kennt"

Der Anfang ist etwas unklar, wie der berühmte Fadosänger Frederico de Brito in einem Gedicht schreibt, in dem er den Fado wie einen jungen Mann darstellt: "Ich wusste, er war einer von diesen, der niemals seine Eltern kennen lernte, und der auch keine Geburtsurkunde hatte". Der Autor José Régio weiß es dagegen ziemlich genau. Er schreibt: "Der Fado wurde an einem sehr stürmischen Tag geboren, als das Meer im Himmel verschwand, auf einem Segelschiff, in der Brust eines Seemanns, der sang, weil er so traurig war." Da kam wohl einiges zusammen. Ziemlich sicher entstand der Fado unter Seeleuten, in Hafenkneipen, in den verruchten Vierteln Lissabons, wo es reichlich Tavernen, Bordelle und ab 1761 viele ehemalige afrikanische Sklaven gab. Diese hatten ihre eigene Musik und tanzten vor allem Fofa und Lundum in den Straßen. Auch diesen Musikstil findet man später, wenn auch nur in homöopathischen Dosen, im Fado wieder. Es wurde viel gefeiert und getrunken in dieser Zeit, in diesen Vierteln. Die Portugiesen konnten sich nachweislich schon im 13. Jahrhundert für Liebesgedichte begeistern, und so folgten in den nächsten 600 Jahren viele, viele Lieder für Landarbeiter, Seeleute, Pilger, Fischer und Knastbrüder, denn gesungen hatte das alles noch viel mehr Kraft und Dramatik. 1833 gab es eine erste schriftliche Erwähnung des Fado. 

Und so wurde der Fado berühmt:

Das Schicksal von Maria Severa, einer Fado-Märtyrerin

Die Hauptfiguren dieser wahren Geschichte sind Maria Severa, geboren 1820, gestorben nur 26 Jahre später; außerdem ihr afrikanischer Liebhaber und dazu ein gefeierter portugiesischer Stierkämpfer aus der besseren Gesellschaft, der Conde (Graf) von Vimioso. Und die Geschichte geht in etwa so: Maria Severa wurde in Lissabon geboren. Ihr Vater betrieb im Stadtteil Madroga die Taverne "Zur bärtigen Dame", später machte sich auch die Mutter selbstständig und eröffnete mit Maria eine eigene Taverne. Dort traten die Fadistas in ihr Leben, denn diese Ecken von Lissabon waren damals ein reines Sündenbabel, von Lasterhaftigkeit und Verdorbenheit gezeichnet, und natürlich gab es jede Menge Fadistas, Nichtstuer und Fatalisten. Maria hatte einen lockeren Lebensstil und bald einen afrikanischen Liebhaber, der wegen einer kriminellen Sache jedoch nach Hause abgeschoben wurde. Unsere Heldin, die ihm sehr verfallen war, saß nun oft tieftraurig in der Taverne und sang ihre tragischen, sehnsuchtsvollen Lieder in der Erinnerung an ihre Liebe. Eines Abends, während sie so sang, kam der berühmte Stierkämpfer Conde de Vimioso mit seiner Gefolgschaft in die Taverne von Marias Mutter. Er liebte es, seine Siege ausgelassen mit viel Wein zu feiern und war bekannt als großer Zecher. Nun erblickte er Maria und hörte ihre traurigen Lieder. Und sie sah ihn! Darauf muss es eine Art Urknall gegeben haben, denn die beiden waren sofort unglaublich verliebt und überglücklich und führten ein ausschweifendes Liebesleben. Leider war das Glück nur von kurzer Dauer, denn die aristokratische Familie des Grafen hatte etwas gegen dessen Romanze und sorgte dafür, dass die beiden sich bald trennten. Unsere unglückliche  Sängerin ... brachte sich um, durch übermäßigen Verzehr von Tauben und Rotwein. Beigesetzt wurde sie ohne Sarg in einem anonymen Grab. Die Geschichte wurde in den Klatschspalten der Zeitungen wie auf den Straßen Lissabons glühend diskutiert. Fadistas schrieben Lieder über Maria und ihr Schicksal, und so kam dieses auch in den höheren Schichten der Gesellschaft an, zusammen mit dem Soundtrack zu der Geschichte, dem Fado. Das verhalf der Musik aus den dunklen Spelunken und düsteren Gassen zu einem enormen Aufschwung. Es wurden Gedichte, Lieder, Stücke und Musicals über Maria Severa geschrieben - und der erste portugiesische Tonfilm (1931) hieß natürlich "A Severa". Fado gab es bald nicht mehr nur in den Tavernen, sondern auch auf Bühnen, und in großen Theatern – so wie bei den Heimatliedern aus Deutschland!

Trio Fado "Mãe preta"

Mãe preta
Pele encarquilhada carapinha branca
Gandôla de renda caindo na anca
Embalando o berço do filho do sinhô
Que há pouco tempo a sinhá ganhou
 
Era assim que mãe preta fazia
criava todo o branco com muita alegria
Porém lá na sanzala o seu pretinho apanhava
Mãe preta mais uma lágrima enxugava
 
Mãe preta, mãe preta
 
Enquanto a chibata batia no seu amor
Mãe preta embalava o filho branco do sinhô

 

Und hier die Übersetzung:


Schwarze Mutter
 
Runzlige Haut, weißes Kraushaar
Die Wiege des Sohnes ihres Herrn schaukelnd...
So machte es die schwarze Mutter
Alle Weißen erzog sie mit Freude
Während in der Sanzala (Sklavengelage) ihre Liebe geschlagen wurde
Wischte sich die schwarze Mutter noch eine Träne fort

Mãe preta (Schwarze Mutter) ist ursprünglich ein brasilianisches Lied aus den 1940er Jahren. In Portugal wurde es durch die „Königin des Fado“, Amália Rodrigues, bekannt. Rodrigues, die oft in Brasilien auftrat, und übrigens als Schauspielerin auf der Bühne Maria Severa verkörperte, hat Mãe preta als Fado interpretiert und 1954 aufgenommen, allerdings mit einem anderen Text: Barco Negro (Schwarzes Schiff) vom portugiesischen Schriftsteller und Kulturpolitiker David Mourao-Ferreira. Der brasilianische Originaltext über eine Sklavin, die das Kind ihres weißen Herren aufzieht, während ihr eigenes Kind zur Arbeit gezwungen und geschlagen wird, war in der Salazar-Diktatur verboten. Das Lied ist bis heute in Portugal von großer Bedeutung, da es sich mit der kolonialen Vergangenheit des Landes auseinandersetzt. Die vier Musiker vom Trio Fado singen Mãe preta im Originaltext.

Die Instrumente im Fado

Der ganz traditionelle Fado wurde nur mit der portugiesischen Gitarre und einer Viola begleitet. Oft ist aber auch zusätzlich eine Viola Baixo (Bassgitarre) zu hören, selten auch mal ein Klavier (vor allem bei Theateraufführungen). Auch gab es schon Einsätze von Geige, Saxofon und Ocarina, einer kleinen Flöte, die Vogelstimmen imitiert. In den letzten Jahrzehnten hat sich die Instrumentalisierung mit zwei portugiesischen Gitarren, einer Gitarre und einer Bassgitarre manifestiert. Kann, aber muss nicht! Im Trio Fado gibt es die folgenden Instrumente, aber manchmal auch mehr – zum Beispiel die Cajón, gespielt von Redha Bendib von La Caravane du Maghreb. Das Cello ist außergewöhnlich, wunderschön und immer dabei.

Guitarra Portuguesa (portugiesische Gitarre)

Das charakteristische Instrument des Fado ist die portugiesische Gitarre (Guitarra portuguesa). Sie erinnert mit sechs Doppelsaiten an eine Mandoline und ist untrennbar mit dieser Musik verbunden. Sie gehört, übrigens wie die Gimbri der Caravane du Maghreb, zu den sogenannten Kastenhalslauten, ist ein bisschen kleiner als eine klassische Gitarre und hat 12 Stahlsaiten. Die Guitarra portuguesa ist eine Weiterentwicklung der Renaissance-Cister und der English guitar. Eine Cister, eine Zither, ist sie, weil sie gezupft wird. Sie ist ungefähr im 18. Jahrhundert entstanden und war hauptsächlich in Lissabon und in Coimbra anzutreffen. So haben sich in diesen beiden Städten tatsächlich zwei Arten von Gitarren entwickelt, die sich in der Tonstimmung unterscheiden. Die Instrumente aus Coimbra sind auch ein bisschen länger. Früher zupfte man die Portugiesische Gitarre mit den Fingernägeln, heute stecken die Musiker sich Unhas, Fingerpicks, auf die Finger. Die portugiesische Gitarre im Trio Fado wird gespielt von Daniel Pircher. 

Übrigens hat die Portugiesische Gitarre eine lange Migrationsgeschichte. Auf ihren Eroberungsfahrten in die neuen Welten hatten die umtriebigen Portugiesen natürlich immer auch Instrumente dabei. Zum einen war es eine Machtdemonstration, um die Einheimischen zu beeindrucken, zum anderen grenzte man sich auch dadurch von ihnen ab, und schließlich hatte man Musik aus der Heimat dabei. Musik spielte allerdings auch eine wichtig Rolle beim Aufstempeln und übertünchen vorhandener Kulturen und von Religion. Oft waren deshalb auch Kirchenorgeln mit an Bord. So hatte beispielsweise Vasco da Gama Ende des 15. Jahrhunderts nicht nur Geschenke und Waffen dabei, sondern auch Instrumente. Diese kamen mitunter in fremden Ländern gut an – und es kam vor, dass sich Musiken vermischten. So wie die portugiesischen Seefahrer mit den Frauen vor Ort anbandelten, gab es ähnliche Annäherungen in der Musik. André de Escobar, ein großer portugiesischer Komponist, hat beispielsweise lange in Indien gelebt, dort auch gearbeitet und Einflüsse aus beiden Kulturen verarbeitet. Ein Feld, das noch nicht erforscht werden muss. 

Guitarra española (spanische Gitarre)

Außerdem gehört ins klassische Set eines Fado-Trios eine Konzertgitarre mit 6 oder 12 Saiten und einem runden Schallloch. Wahrscheinlich kam sie schon Mitte des 19. Jahrhunderts von Spanien nach Portugal (der Weg war ja nicht weit), sie war also schon anwesend, als der Fado Fahrt aufnahm. Die Gitarre spielt niemals ein Solo, sondern sie unterstützt das Rhythmus-Muster als soliden Hintergrund, gegen den Sänger und die portugiesische Gitarre performen. Klassischerweise wird sie vor dem Körper gehalten und gezupft, bei uns von Antonio de Brito.

Ein Cello?

Beim Trio Fado kommt mit dem Cello eine neue Tiefe dazu. Benjamin Walbrodt spielt hier den Part einer Viola Baixo, und das passt hervorragend. Ein Cello ist ein Bassmusikinstrument aus der Geigenfamilie, hat 4 Saiten, einen charakteristischen warmen Klang und ist gestimmt C-G-D-A. Die ersten Cellos wurden im 16. Jahrhundert entwickelt und hatten 5 Saiten, oder auch mal nur 3. Sie sollten in Ensembles die Basslinie vorgeben. Später bekam das Cello auch eigene, prominente Auftritte, vor allem von Haydn, Bach, Mozart und Beethoven, aber auch Dvořák und Kodály.

Obertongesang: Nicht für jedes Ohr gemacht

Stimmt leider: Nicht jeder kann Obertöne so richtig wahrnehmen. Warum das so ist, lest ihr im Artikel Wie Obertöne aufs Gehirn wirken vom Universitätsklinikum Heidelberg. Und hier könnt ihr euch sich sogar selbst testen und herausfinden, ob ihr ein Grundton- oder ein Obertonhörer seid! Obertongesang filtert aus dem Klangspektrum der Stimme die Obertöne heraus, so dass diese Töne als getrennte Töne wahrgenommen werden. Obertöne sind ja praktisch bei jedem musikalisch erzeugten Ton vorhanden, aber der Obertongesang filtert seine Obertöne eben heraus. Man hat den Eindruck, es würde mehrstimmig gesungen. In Deutschland bekam der Obertongesang in den 1980er Jahren etwas Aufwind, 20 Jahre nachdem Komponisten wie Karlheinz Stockhausen ihn in die Avantgardemusik gebracht haben. In Asien und speziell in der Mongolei hat der Obertongesang, der sich dort etwas unterscheidet, eine viel längere Tradition. Dort gibt es auch Varianten wie den Kehl-oder Kehlkopfgesang. 

Der Obertongesang bereichert den Fado des Trio Fado um eine sehr außergewöhnliche Zutat. Daniel Pircher hat sich diese Gesangstechnik selbst beigebracht, behauptet hartnäckig, so schwer sei das gar nicht und führt es nach unseren Konzerten auch gern aus der Nähe vor. Fakt ist: nachmachen ist überhaupt nicht einfach! 

 

Quellen:

A history of the Portuguese Fado, Paul Vernon, Aldershot (England), 1998 

Fado and the Place of Longing – Loss, Memory and the City, Richard Elliott, Farnham, 2010

Historia do Fado, Pinto de Carvalho (1904, nachgedruckt Lissabon, 1984)

Musikinstrumente der Welt – Eine Enzyklopädie mit über 4000 Illustrationen, Bertelsmann Lexikon-Verlag, 1976

Migration und Identität – Wanderbewegungen und Kulturkontakte in der Musikgeschichte, Sabine Ehrmann-Herfort und Silke Leopold (Hg.), Deutsches historisches Institut Rom, Kassel 2013

Wege portugiesischer Musikkultur nach Südostasien im Kontext der europäischen Expansionspolitik des 16. und 17. Jahrhunderts, Christian Storch in: " Migration und Identität", Kassel 2013

Website der Unesco (Weltkulturerbe): Intangible cultural Heritage